Als ich das erste Mal neben meinem Enkel saß, der mit ernster Miene auf seinem Tablet herumwischte und mich fragte, ob ich „Minecraft“ kenne, dachte ich ehrlich gesagt an einen alten Science-Fiction-Film. Wenige Stunden später saßen wir beide – er mit flinken Fingern am Touchscreen, ich mit Stirnrunzeln und Fragezeichen im Kopf – in einem digitalen Würfeluniversum, in dem Schweine reiten und Häuser aus Diamanten gebaut werden.
Und da wurde mir klar: Mein Opa hätte sich das nie träumen lassen. Ich aber lebe mittendrin. Zwischen Lego und Laptop. Zwischen Bauklötzen und WLAN-Passwort. Zwischen Märchenbuch und Sprachnachricht. Und das ist manchmal ganz schön herausfordernd – aber auch wunderschön.
Ein Opa früher – das war jemand, der still im Sessel saß
Ich erinnere mich noch gut an meine Kindheit. Mein eigener Großvater war ein Mann mit festen Prinzipien, großer Ruhe und einem fast heiligen Mittagsschlaf. Technik beschränkte sich auf den Fernseher, der mit einem Drehknopf bedient wurde. Wenn ich ihn fragte, ob er mit mir spielen wolle, lächelte er milde und sagte: „Opa ruht sich jetzt aus.“
Wir Kinder hatten Respekt, manchmal sogar ein bisschen Scheu. Nähe zeigte sich in Form von Bonbons aus der Schublade oder einem Nicken, wenn man besonders artig war. Er war nicht unfreundlich – nur eben fern. Wie ein Leuchtturm am Horizont. Immer da, aber nie ganz nah.
Er erzählte manchmal vom Krieg, vom Aufbau, von harter Arbeit. Vieles verstand ich als Kind nicht. Doch ich merkte, dass sein Leben von anderen Herausforderungen geprägt war als meines. Seine Liebe zeigte sich nicht in Umarmungen, sondern in Handlungen – ein repariertes Fahrrad, ein gepflegter Garten, ein voller Obstkorb.
Ich will nah dran sein – auch wenn’s digital wird
Heute bin ich Opa. Und ich merke: Die Erwartungen sind andere. Und meine Wünsche auch. Ich will dabei sein. Mittendrin, nicht nur Zaungast. Ich will wissen, was meine Enkel bewegt – ob es die Baupläne ihres Lego-Dinosauriers sind oder der neue Tanztrend auf TikTok.
Das ist manchmal gar nicht so einfach. Denn die Welt, in der meine Enkel aufwachsen, ist eine andere als die, in der ich groß geworden bin. Alles ist schneller, bunter, technischer. Wo früher Bauklötze gestapelt wurden, werden heute digitale Welten erschaffen. Wo man früher den Ball auf dem Bolzplatz gekickt hat, wird heute virtuell Fußball gespielt.
Und trotzdem – oder gerade deswegen – will ich da sein. Ich will diese neue Welt nicht nur staunend beobachten, sondern sie gemeinsam mit meinen Enkeln entdecken. Auch wenn ich manchmal nur die Hälfte verstehe.
Warum das kein Widerspruch sein muss
Anfangs dachte ich: Entweder bin ich der Opa für die klassischen Dinge – Lego, Geschichten erzählen, Spazierengehen. Oder ich muss mich verbiegen, um die moderne Technik mitzumachen.
Aber das stimmt nicht.
Ich habe gelernt: Es geht beides. Ich kann den Nachmittag mit Lego-Rittern auf dem Wohnzimmerboden verbringen und danach gemeinsam ein Lernspiel am Tablet ausprobieren. Ich kann mich über die Spielregeln von Fortnite wundern und trotzdem mit demselben Enkel abends ein Bilderbuch anschauen.
Ich muss kein Technikexperte sein – ich muss nur offen sein. Und ehrlich. Wenn ich etwas nicht weiß, frage ich. Und mein Enkel erklärt es mir mit einer Geduld, die mich rührt. Diese Rollenverschiebung – vom Erklärer zum Lernenden – tut mir nicht weh. Im Gegenteil: Sie bereichert.
Lernen mit dem Enkel – keine Schande, sondern Chance
Ich gebe es zu: Ich habe mir von meinem Enkel erklären lassen, wie man ein Video pausiert, wie WhatsApp-Gruppen funktionieren und warum man bei Alexa bitte sagen kann, aber nicht muss.
Früher wäre mir das peinlich gewesen. Heute? Ich sehe es als Geschenk. Denn es zeigt: Ich bin neugierig geblieben. Ich will verstehen. Ich will mitreden. Und mein Enkel genießt es, mir etwas beibringen zu dürfen. Das stärkt unser Band.
Manchmal sind es auch die Enkelinnen, die mir neue Welten zeigen: Schminkanleitungen auf YouTube, Bastelideen auf Pinterest oder Tanzvideos auf TikTok. Ich bin vielleicht nicht immer zielsicher – aber ich bin dabei.
Und plötzlich bin ich wieder Kind
Manchmal – wenn wir gemeinsam ein Spiel spielen oder ein Video drehen – fühle ich mich selbst wie sieben Jahre alt. Ich lache aus vollem Herzen, verliere mich in kindlicher Begeisterung, vergesse die Zeit.
Und ich glaube, das ist eines der größten Geschenke des Opa-Seins heute: Die Erlaubnis, wieder Kind sein zu dürfen. Nicht nur Lehrer, Ratgeber, Aufpasser zu sein – sondern Wegbegleiter, Mitspieler, Mitträumer.
Wenn ich mit meinem Enkel durchs Wohnzimmer robbe oder mit meiner Enkelin eine Karaoke-Show inszeniere, dann bin ich nicht mehr der „ältere Herr“. Dann bin ich einfach nur Opa – mit leuchtenden Augen und einem vollen Herzen.
Natürlich gibt’s auch Momente der Überforderung
Nicht alles ist leicht. Manchmal verstehe ich die Technik nicht. Oder ich wundere mich über neue Begriffe, über Schnelllebigkeit, über die digitale Dauerbeschallung. Ich merke, dass ich Pausen brauche. Dass ich nicht alles können muss.
Und das ist okay. Ich bin kein Super-Opa. Ich bin ein Mensch mit Ecken, Fragen und einem eigenen Tempo. Meine Enkel verstehen das – wenn ich es ehrlich zeige.
Manchmal ziehe ich mich bewusst zurück. Schalte das Handy aus. Genieße einen Moment der Stille. Und auch das ist Teil meines Opa-Seins. Das Vorleben von Pausen, von Achtsamkeit, von Balance. Ein wertvolles Gegengewicht zur ständigen Erreichbarkeit.
Die Rolle des Opas heute – zwischen Tradition und Transformation
Ich sehe mich als Brücke. Zwischen Alt und Neu. Zwischen Analog und Digital. Ich erzähle Geschichten von früher, von Telefonen mit Wählscheibe und drei Fernsehprogrammen. Und gleichzeitig lasse ich mich auf Neues ein: auf Online-Brettspiele, digitale Lern-Apps oder Virtual-Reality-Brillen.
Ich glaube, meine Aufgabe ist es, nicht das Alte zu bewahren oder das Neue zu feiern – sondern beides zu verbinden. Ich bringe meinen Enkeln bei, wie man Kartoffeln schält. Und sie zeigen mir, wie man einen Avatar gestaltet. Ich lese vor – und lasse mir vorlesen. Ich erzähle vom Leben ohne Internet – und staune, wie selbstverständlich sie darin aufgehen.
Rituale bleiben – auch in der modernen Zeit
Trotz aller Technik: Die schönsten Momente entstehen oft ganz ohne Bildschirm. Wenn wir gemeinsam Kuchen backen. Wenn wir Kastanien sammeln gehen. Wenn ich meinem Enkel den Trick mit der Schnitzeljagd erkläre, die ganz ohne GPS funktioniert.
Diese Rituale geben Halt. Sie machen uns unabhängig von Trends. Und sie zeigen: Es geht nicht um das „Was“, sondern um das „Wie“. Nähe entsteht durch Zeit, durch echtes Interesse, durch liebevolle Aufmerksamkeit – egal ob bei Lego oder Laptop.
Auch neue Rituale entstehen: Die gemeinsame Gute-Nacht-Nachricht per Sprachnachricht, das wöchentliche Online-Schachspiel, die Überraschung per Paketdienst. Nähe kennt viele Wege – wenn das Herz dahintersteht.
Fazit: Ich bin ein moderner Opa – mit Herz und Humor
Ich bin nicht perfekt. Aber ich bin präsent.
Ich kenne nicht alle Apps. Aber ich kenne meine Enkel.
Ich verstehe nicht jeden Trend. Aber ich verstehe, wie wichtig es ist, da zu sein. Offen, neugierig, mit ganzem Herzen.
Zwischen Lego und Laptop habe ich meinen Platz gefunden. Und der ist wunderbar. Denn er ist voller Leben – und Liebe. Und genau das will ich weitergeben. Jeden Tag, mit jedem Lachen, mit jedem gemeinsamen Moment.