Kennst du das Gefühl, wenn du dich auf einen gemütlichen Fernsehabend freust, die Fernbedienung griffbereit, das Bier kaltgestellt – und dann spielt die Technik einfach verrückt? Ich rede hier nicht von einem kleinen Ruckeln oder schlechtem Empfang. Nein. Mein Fernseher sprach plötzlich rückwärts. Wortwörtlich. Als hätte er beschlossen, einen auf Beatles zu machen: „Paul is dead“ und so.
Ich nehme dich mit auf eine Zeitreise in mein Wohnzimmer der 80er. Damals, als Fernbedienungen noch Schnüre hatten, Röhrenfernseher 50 Kilo wogen und das Programmangebot überschaubar war. Eine Zeit, in der Technik noch Seele hatte – oder zumindest Persönlichkeit. Denn wie sonst erklärt man es, wenn ein Fernseher plötzlich rückwärts spricht?
Technik mit Charakter
Manchmal frage ich mich, ob das nicht die schönste Zeit war. Es war eine Ära voller Erfindungsreichtum. Wenn etwas kaputt ging, wurde nicht gleich neu gekauft – es wurde geschraubt, gelötet, improvisiert. Ich hatte damals eine kleine Werkzeugkiste mit vier Schraubenziehern, zwei Zangen, Isolierband, Kontaktspray und viel gutem Willen. Fernseher, Plattenspieler, Radiowecker – ich war bei uns zu Hause der Chefingenieur. Dass Technik dabei auch mal seltsame Launen hatte, gehörte einfach dazu.
Und das Beste daran: Man lernte dabei etwas. Über Stromkreise, über Geduld, über den Umgang mit Rückschlägen – und über sich selbst. Wenn du beim fünften Versuch endlich den Fehler findest, jubelst du wie nach einem Elfmeter in der Nachspielzeit. Heute wirkt vieles glatter, schneller, digitaler – aber ob es wirklich besser ist? Naja, zumindest hat mein alter Fernseher mir eines beigebracht: Technik hat manchmal mehr Persönlichkeit als so mancher Mensch.
Der Fernsehabend beginnt – und endet abrupt
Es war ein Dienstagabend – das weiß ich noch ganz genau. Dienstags lief meine Lieblingssendung: „Der große Preis“ mit Wim Thoelke. Ich hatte alles vorbereitet. Die Jogginghose saß, das Bier war kalt, das Wurstbrot frisch geschmiert. Mein Hund Bruno lag schon in Warteposition auf dem Teppich. Nur noch schnell die Fernbedienung gegriffen, ein Klick – und der Fernseher sprang an.
Doch was ich dann hörte, klang alles andere als normal. Eine Stimme, klar und deutlich – aber rückwärts. Ich stutzte. Hatte ich mich verhört? Ein zweites Mal: wieder rückwärts. Der Vorspann lief ebenfalls rückwärts, das Bild wirkte spiegelverkehrt. Ich runzelte die Stirn. Sollte das ein Scherz sein?
Ich versuchte es mit altbewährten Methoden: am Gehäuse klopfen, die Antenne verstellen, das Gerät ein- und ausschalten. Keine Änderung. Der Fernseher blieb stur. Er spielte weiter Ton und Bild – aber komplett rückwärts. Ich lachte zuerst. Dann wurde ich skeptisch. Und schließlich ärgerlich.
Erste Reparaturversuche auf Opa-Art
Meine nächste Maßnahme: Stecker raus, zehn Sekunden warten, Stecker rein. Das funktionierte bei fast allem. Kaffeemaschine, Küchenradio, sogar beim Rasierapparat hatte das schon Wunder bewirkt. Aber der Fernseher ließ sich nicht beeindrucken. Immer noch rückwärts.
Ich griff zur Fernsehzeitung. Vielleicht war das eine Spezialsendung? Aber da stand nur: „Der große Preis, 20:15 Uhr“. Kein Hinweis auf Rückwärtslauf oder verstecktes Quizformat für Fortgeschrittene. Also doch kein geplanter Gag.
Ich schnappte mir das Handbuch. Ein zerfleddertes Heftchen mit schlechten Illustrationen und noch schlechteren Übersetzungen. Ich blätterte durch. „Bildfehler“, „kein Empfang“, „Ton verzerrt“ – aber nichts von „Ton rückwärts“.
Also machte ich das, was man früher halt so tat: Ich holte meinen Nachbarn.
Der Techniker mit dem Schnauzer: Nachbar Günther
Günther war mein Nachbar und pensionierter Radiotechniker. Zumindest erzählte er das jedem, der es hören wollte. Ob es stimmte, wusste ich nie so genau, aber er hatte einen Werkzeugkoffer, der größer war als sein Auto – und das beeindruckte.
Keine 30 Minuten später stand er bei mir im Wohnzimmer. Mit Brille auf der Nase, Schraubendreher in der Hand und dem Spruch: „So, zeig mir mal deinen Patienten.“
Er beäugte das Gerät kritisch, machte sich am Gehäuse zu schaffen, öffnete die Rückwand, prüfte Kabelverbindungen, wackelte an der Antenne, schraubte hier, klopfte da. Nach einer Dreiviertelstunde schüttelte er den Kopf: „So was hab ich in 40 Jahren nicht gesehen.“
„Vielleicht ist er besessen?“, witzelte ich. Günther grinste nicht. „Oder du hast den Rückwärtsmodus aktiviert.“ – „Es gibt einen Rückwärtsmodus?!“ – „Nein“, antwortete er trocken. Ich seufzte.
Mein Enkel Florian und der Klick zur Normalität
Am nächsten Tag kam mein Enkel Florian vorbei. 14 Jahre, technisch auf Zack, immer mit Kopfhörern um den Hals und einer Mischung aus Überheblichkeit und Gleichgültigkeit im Blick. Ich erzählte ihm von meinem Fernseh-Desaster. Er lachte. „Opa, darf ich mal kurz?“
Er drückte ein paar Tasten auf dem Videorekorder. „Hier, das AV-Kabel war falsch gesteckt. Tonspur rückwärts, Video im Loop-Modus. Wahrscheinlich bist du aus Versehen draufgekommen.“
Er machte drei Klicks, das Bild flackerte kurz – und plötzlich war alles wieder normal. Wim Thoelke begrüßte sein Publikum, die Kandidaten klatschten im richtigen Rhythmus, und ich war sprachlos.
„Du solltest weniger auf die Fernbedienung sitzen, Opa“, sagte Florian und verschwand Richtung Kühlschrank. Ich sagte nur: „Danke.“
Was ich daraus gelernt habe
- Technikfehler passieren immer dann, wenn man sich am meisten auf einen ruhigen Abend freut.
- Klopfen hilft selten – aber man fühlt sich besser.
- Jugendliche verstehen Technik heute intuitiv – und das ist auch gut so.
- Es lohnt sich, ruhig zu bleiben und auch mal zu lachen, wenn’s schiefgeht.
- Manchmal braucht es nur den richtigen Blick – und einen anderen Daumen auf der Fernbedienung.
Weitere Technikpannen aus meinem Leben
- Mein alter Radiowecker ging immer um 3:47 Uhr an – ganz egal, wann ich ihn gestellt hatte.
- Der Kassettenrekorder spielte manchmal rückwärts, wenn es zu kalt im Zimmer war.
- Der Toaster schaltete gelegentlich den Sicherungskasten aus. Grund unbekannt.
- Mein Anrufbeantworter nahm drei Tage lang nur Vogelgezwitscher auf. Das Mikro hatte sich zur Balkontür geneigt.
- Und einmal schaltete sich der Staubsauger von allein ein – nachts, um zwei. Die Katze sprang dabei fast durchs Fenster.
Fazit: Wenn der Fernseher rückwärts spricht, spricht das Leben
Manchmal frage ich mich, ob die Technik damals nicht ehrlicher war. Sie hat Fehler gemacht – ja. Aber sie hat damit Geschichten geschrieben. Heute ist alles perfekter, effizienter – aber auch langweiliger. Wenn alles funktioniert, bleibt kaum etwas hängen.
Mein Fernseher, der rückwärts sprach, hat mich daran erinnert, wie schön es ist, wenn das Leben nicht ganz nach Plan läuft. Es hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, auch mal zu schmunzeln, durchzuatmen – und die Enkel machen zu lassen.
Und wenn du das nächste Mal vor einem Problem stehst, das du nicht verstehst, dann denk dran: Vielleicht musst du einfach nur mal die Perspektive wechseln. Oder den Enkel fragen.