Opa erzählt – mit Herz & HumorErinnerungen aus meiner KindheitWarum Omas Kartoffelpuffer immer die besten waren

Warum Omas Kartoffelpuffer immer die besten waren

Der Duft von damals, knusprig gebraten und mit einer Extraportion Liebe serviert.

Wenn ich die Augen schließe und mich an meine Kindheit erinnere, gibt es einen Geruch, der mir sofort in die Nase steigt: der von Omas frisch gebratenen Kartoffelpuffern. Außen goldbraun und knusprig, innen weich und herzhaft – dazu Apfelmus oder Zucker, je nachdem, wie süß man’s mochte. Heute nennt man das oft „Reibekuchen“ oder „Rösti“, in schicken Restaurants sogar „Kartoffelrösti mit Apfel-Chutney“. Aber für uns Kinder damals? Das waren einfach Omas Kartoffelpuffer – und sie waren legendär. Nicht nur wegen des Geschmacks, sondern weil sie ein Versprechen waren: auf Geborgenheit, auf Familie, auf einen Nachmittag ohne Streit und Sorgen.

Die Küche als Bühne – und Oma als Hauptdarstellerin

Omas Küche war kein Hochglanzort wie heute aus dem Möbelhaus. Es roch nach Gewürzen, nach Kaffee, nach Bohnenkraut und manchmal auch ein bisschen nach eingemachtem Rotkohl. Der Tisch war aus Holz, das schon viele Geschichten kannte, mit kleinen Einkerbungen und Brandflecken. Und wenn es Kartoffelpuffer geben sollte, dann wusste man das schon Stunden vorher. Weil der Duft durchs ganze Haus zog und einem das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ.

 

Ich sehe sie noch vor mir, meine Oma. Die Haare hochgesteckt, die Schürze umgebunden, ein entschlossener Blick – und ein riesiger Berg geschälter Kartoffeln vor sich. Das war Handarbeit, keine Küchenmaschine. Gerieben wurde mit der Vierkantreibe, und das mit einer Ausdauer, die ich heute höchstens noch beim Fahrradfahren aufbringe. Dabei trug sie ihre Brille auf der Nasenspitze, murmelte etwas von „genau richtig“ und hörte nebenbei den alten Röhrenradio, der in der Ecke stand.

Und während sie rieb, erzählte sie Geschichten – von ihrer Kindheit, vom Krieg, vom ersten Kuss mit Opa. Es war eine Mischung aus Küchenduft und Lebensweisheit, die sich in mein Gedächtnis eingebrannt hat.

Kartoffel ist nicht gleich Kartoffel

„Du darfst keine neuen Kartoffeln nehmen! Die sind zu wässrig“, sagte sie immer. Für gute Puffer braucht es mehligkochende Sorten, fest in der Hand, aber mit dem richtigen Biss. Und wenn ich mich recht erinnere, schlich sie regelmäßig auf den Wochenmarkt, um bei „ihrem“ Stand die besten Knollen auszusuchen. Mit kritischem Blick und prüfenden Händen. Da wurde keine Kartoffel einfach so gekauft. Nein, die wurde ausgesucht wie ein Schmuckstück. Und wenn der Händler meinte, er könnte ihr minderwertige Ware unterjubeln, dann wurde das ganz charmant, aber bestimmt klargestellt.

Neben den Kartoffeln waren auch Zwiebeln, Eier, etwas Mehl, eine Prise Muskatnuss und Salz nötig. Und, ganz wichtig: „Ein bisschen Liebe muss auch rein!“ Das sagte sie immer mit einem Augenzwinkern.

Das Reiben – eine meditative Arbeit

Das Reiben selbst war fast schon ein Ritual. Immer gleich, immer rhythmisch. Ich durfte auch mal reiben – aber nie lange. „Pass auf deine Finger auf!“ Und ja, sie hatte recht. Denn ein Reibeisen verzeiht nichts. Trotzdem liebte ich diesen Moment: das gemeinsame Arbeiten, das Lachen zwischendurch, und wie sich langsam aus einem Berg Kartoffeln eine duftende Mahlzeit entwickelte.

Dann kam das Ausdrücken. „Die Masse darf nicht zu nass sein!“ Also wurde ein Geschirrtuch geopfert – eins von denen mit Karomuster, die irgendwie nur Omas hatten. Die geriebene Masse kam rein, dann wurde gedrückt, gedreht, gepresst. Und das Wasser floss. „Nicht weggießen, das brauchst du noch!“ – auch das war so ein Satz, den ich nie verstand. Bis ich sah, wie sich am Boden der Schüssel ein feiner, heller Kartoffelstärkefilm absetzte. Den nahm sie später wieder dazu. Nichts wurde verschwendet.

Das Braten – eine Kunst für sich

Wenn es dann ans Braten ging, war höchste Konzentration angesagt. Die Pfanne war schwer und aus Gusseisen, das Fett musste die richtige Temperatur haben – nicht zu heiß, nicht zu kalt. Sie testete das Fett mit einem kleinen Tropfen Teig – wenn es leise zischte, war es genau richtig. Und dann, mit einem satten Geräusch, kamen die ersten Portionen in die Pfanne.

Ich stand meist daneben, mit großen Augen und knurrendem Magen. Jeder Puffer wurde sorgsam geformt, leicht angedrückt, dann gewendet. Oma war streng mit sich. Zu hell? Zurück in die Pfanne. Zu dunkel? Weg damit. Perfektion in Kartoffelform. Und dabei summte sie oft ein Lied – irgendein altes Schlagerlied, das ich heute noch erkenne, wenn es im Radio läuft.

Manchmal ließ sie mich einen kleinen Probepuffer machen – meine ganz eigene, kleine Version. Ich war stolz wie Bolle, auch wenn meiner nie so schön rund war und irgendwie immer zu fettig. Aber sie lobte ihn trotzdem. „Für den Anfang ganz ordentlich,“ sagte sie und zwinkerte mir zu.

Der Moment des Genusses

Wenn sie fertig war, stapelte sie die Puffer auf einem Teller mit Küchenpapier. Und dann, endlich, kam der Moment, auf den ich gewartet hatte. Ich durfte probieren. Noch heiß, mit knusprigem Rand, ein bisschen Apfelmus oben drauf – und ich sag Dir: Das war Glück. Pures, echtes, warmes Glück.

Oft war die ganze Familie da. Und alle wussten: Heute gibt’s was Besonderes. Niemand machte so gute Kartoffelpuffer wie Oma. Ihre Mischung aus Erfahrung, Gefühl und Liebe – das bekam keiner hin. Der Apfelmus war übrigens selbstgemacht. Aus Äpfeln vom Garten. Die hatte sie im Herbst eingekocht – mit ein bisschen Zimt und Nelke. Und wenn man wollte, gab es auch Zucker und Zimt oder ein Klecks saure Sahne dazu.

Man saß am Tisch, redete, lachte, nahm sich nach – und keiner schaute aufs Handy, weil es das schlichtweg noch nicht gab. Es war echte Zeit miteinander. Und diese Momente, sie sind heute kostbarer denn je.

Warum schmecken Omas Kartoffelpuffer besser?

Die Antwort ist eigentlich ganz einfach: Weil sie mit Hingabe gemacht wurden. Nicht mit Fertigmischung, nicht unter Zeitdruck, nicht nach Rezept – sondern aus dem Bauch heraus. Weil sie wusste, wie viel Zwiebel reinmuss. Weil sie spürte, wann der Teig perfekt war. Und weil sie immer ein wenig mehr machte – für den Nachbarn, der vielleicht zufällig vorbeikam.

Vielleicht schmeckten sie auch deshalb besser, weil sie in einer Zeit gemacht wurden, in der man sich für Mahlzeiten noch Zeit nahm. In der man gemeinsam am Tisch saß. In der der Duft aus der Küche ein Versprechen war – auf Wärme, Nähe und Geborgenheit.

Und: Weil sie von einer Frau kamen, die nicht nur kochte, sondern nährte. Die wusste, wie man mit einem Teller voll Essen Liebe ausdrückt. Die einem mit einem Lächeln die größte Freude machen konnte – einfach, indem sie sagte: „Magst du noch einen?“

Erinnerungen, die bleiben

Heute versuche ich manchmal, ihre Kartoffelpuffer nachzumachen. Ich reibe, ich drücke, ich brate – und ja, sie schmecken. Gut sogar. Aber nie so wie bei ihr. Vielleicht, weil mir ihre Schürze fehlt. Oder ihre alten Lieder. Oder einfach die besondere Magie, die sie in ihre Gerichte legte.

Und wenn ich dann am Küchentisch sitze, mit einem Teller Puffer vor mir, und mein Enkel neben mir fragt: „Warum sind deine Kartoffelpuffer so lecker, Opa?“ – dann lächle ich. Und sage: „Weil ich’s von der besten Köchin der Welt gelernt habe.“

Und tief in mir weiß ich: Ihre Puffer waren nicht nur Essen. Sie waren ein Stück Zuhause. Ein Stück Kindheit. Und ein Rezept für Liebe, das man nicht aufschreiben kann – nur weiterschenken.

 

Und vielleicht, ganz vielleicht, wird mein Enkel in 40 Jahren auch einmal an mich denken, wenn er seinen Kindern Kartoffelpuffer macht. Und sagen: „Mein Opa hat die immer so gemacht – und sie waren einfach die besten.“

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