Es gibt Orte, die wachsen einem langsam ans Herz. Nicht, weil sie besonders schön sind oder weil sie im Reiseführer stehen, sondern weil sie einfach da sind. Stille Beobachter unseres Lebens. Mein Werkstattkeller war so ein Ort. Einst muffig, vollgestellt und chaotisch – heute mein liebster Platz zum Abschalten. Eine kleine Oase mitten im Alltag. Und weißt du was? Ich hätte nie gedacht, dass gerade ein Ort voller Werkzeug und Holz mein Ruhepol werden könnte.
Die Ausgangslage: Ein Keller wie viele andere
Der Keller unter unserem Haus hatte lange ein trauriges Dasein. Alte Farbdosen, vergessene Werkzeuge, Kartons voller „Könnten-wir-noch-mal-brauchen“-Dinge. Es roch nach Staub, ein bisschen nach Maschinenöl, und richtig wohl fühlen mochte man sich dort nicht. Ich hatte zwar immer wieder mal etwas repariert oder gebastelt, aber mehr schlecht als recht. Kein Licht, kein Platz, kein System.
Aber irgendetwas zog mich doch immer wieder hin. Vielleicht war es das Gefühl, dort unbeobachtet zu sein. Vielleicht auch die Erinnerung an meinen Vater, der früher in seiner kleinen Werkbank-Ecke Radios zerlegt und wieder zusammengesetzt hat. Vielleicht war es aber auch dieser Wunsch, wieder mit den Händen zu arbeiten – etwas zu schaffen, was bleibt.
Der Wunsch nach einem eigenen Raum
Als die Kinder aus dem Haus waren und der Alltag ein wenig ruhiger wurde, kam bei mir der Wunsch auf: Ich wollte einen Ort nur für mich. Kein Wohnzimmer, kein Gartenstuhl, kein Fernsehsessel. Sondern einen Platz, an dem ich werkeln, denken, nichts tun oder einfach nur sitzen konnte. Und mein Blick fiel wieder auf den Keller. Dieser stille, halb vergessene Raum unter unseren Füßen – mein künftiger Rückzugsort.
Warum nicht aus dem alten Werkstattkeller etwas machen? Etwas Eigenes, Persönliches. Eine Mischung aus Hobbyraum, Rückzugsort und Zufluchtswinkel. Also machte ich mich ans Werk. Ich plante, skizzierte, maß aus und träumte dabei schon ein wenig. Wie würde es wohl sein, wenn dieser Raum nicht mehr nur funktional, sondern auch gemütlich wäre?
Aufräumen, sortieren, loslassen
Der erste Schritt war – wie so oft im Leben – das Aufräumen. Und das war keine kleine Sache. Ich fand Dinge, die ich seit Jahrzehnten nicht mehr in der Hand hatte. Alte Kabel, verrostete Schrauben, Werkzeuge aus der Zeit meines Großvaters. Es war eine kleine Zeitreise in Kistenform. Mit jedem Gegenstand kam eine Erinnerung hoch. Einige schön, andere traurig, manche einfach nur kurios.
Ich beschloss, radikal zu sein. Nur das blieb, was ich wirklich brauchte oder liebgewonnen hatte. Alles andere wurde verschenkt, entsorgt oder in die „Vielleicht“-Kiste gepackt. Allein dieser Prozess war wie ein kleines inneres Aufräumen. Ballast abwerfen. Platz schaffen. Für Neues, für Ideen, für mich. Man glaubt gar nicht, wie viel inneren Frieden ein ausgemisteter Raum schenken kann.
Und ganz nebenbei hatte ich das Gefühl, meine Lebenszeit wieder ein Stück selbst in die Hand zu nehmen. Keine chaotischen Ecken mehr, keine Stolperfallen aus Kartons. Ich wollte Klarheit – im Raum und im Kopf.
Licht, Ordnung und eine Werkbank mit Seele
Danach kam die Gestaltung. Ich installierte neue Lampen – nicht dieses grelle Neonlicht, sondern warmes, angenehmes Licht mit ein paar gezielten Spots für die Arbeitsbereiche. Ich baute mir eine neue Werkbank, aus echtem Holz, stabil, mit viel Stauraum. Allein der Geruch des frisch geschliffenen Holzes ließ mein Herz höherschlagen.
Meine Werkzeuge bekamen feste Plätze. Ich hängte sie an die Wand, sortierte sie in Schubladen und markierte alles mit kleinen Etiketten. Nicht aus Pedanterie, sondern weil es das Arbeiten leichter macht. Und weil Ordnung eben auch Ruhe schafft. Wenn jedes Teil seinen Platz hat, bleibt auch im Kopf mehr Freiraum.
Ein kleiner Teppich kam dazu, ein alter Sessel, den ich neu bezog, und ein Radio, das leise im Hintergrund spielen darf. Kein Fernsehen, kein Bildschirm. Nur ich, meine Hände, das Holz, das Metall, der Moment. Sogar ein kleiner Wasserkocher fand seinen Weg in die Ecke – für den Kaffee zwischendurch. Und ein Foto meiner Enkel auf dem Regal. Das macht den Raum komplett.
Der Wandel: Vom Arbeitsraum zum Seelenort
Es dauerte ein paar Wochen, aber irgendwann merkte ich: Ich ging nicht mehr nur in den Keller, um etwas zu reparieren. Ich ging hinunter, um bei mir zu sein. Nach einem vollen Tag, wenn der Kopf rauschte und die Gedanken kreisten, war der Keller mein Zufluchtsort. Die Welt da oben konnte toben – hier unten war ich bei mir.
Manchmal mache ich gar nichts. Ich sitze einfach da, betrachte meine Werkzeuge, denke nach oder höre den Tropfen am alten Wasserrohr zu. Diese kleinen Geräusche, das Knistern im Holz, das Surren der Lampe – sie beruhigen mehr als jedes Entspannungsprogramm. Und manchmal packt mich die Lust, etwas Neues auszuprobieren. Ein Vogelhaus für den Garten. Eine Halterung fürs Fahrrad meines Enkels. Ein neues Regal für die Kellerecke.
Auch kleine Reparaturen aus dem Haushalt landen jetzt hier. Meine Frau bringt mir kaputte Küchengeräte oder lose Schrankgriffe. Und jedes Mal ist es ein kleines Erfolgserlebnis, wenn ich etwas wieder hinbekomme. Nicht nur das Ding an sich – sondern auch das gute Gefühl, nützlich zu sein.
Was dieser Raum mir heute bedeutet
Mein Werkstattkeller ist kein Designstudio. Er ist kein Instagram-Motiv. Aber er ist echt. Und er ist meiner. Es ist ein Ort ohne Erwartungen, ohne Rollen, ohne Termine. Hier bin ich einfach nur ich – mit all meinen Ideen, Fehlern, Erfolgen und Pausen.
Er erinnert mich daran, dass ich noch gebraucht werde – von mir selbst. Dass ich gestalten kann, schaffen kann, mich ausdrücken kann. Und dass man auch im Ruhestand neue Räume entdecken darf, im wahrsten Sinne des Wortes. Räume, die nicht perfekt sein müssen, aber ehrlich. Und wohltuend.
Manchmal kommt mein Enkel mit runter. Dann werkeln wir gemeinsam. Ich zeige ihm, wie man mit einer Handsäge umgeht oder wie man eine Schraube eindreht, ohne sie zu verkanten. Diese Momente sind Gold wert. Für ihn, aber auch für mich. Es ist nicht nur ein Weitergeben von Wissen – es ist ein gemeinsames Erleben. Eine Brücke zwischen Generationen, gebaut aus Holz und Zeit.
Tipps, wenn du deinen eigenen Ruheort schaffen willst:
- Fang klein an: Es muss nicht gleich die große Renovierung sein. Ein Regal ausmisten, einen Platz für deine Werkzeuge schaffen, reicht oft für den Anfang. Jeder Schritt zählt. Auch kleine Veränderungen haben Wirkung.
- Mach es dir gemütlich: Ein weicher Sessel, gutes Licht und ein bisschen Musik wirken Wunder. Vielleicht ein Bild an der Wand, eine Thermoskanne mit Tee oder ein altes Radio – was dir eben guttut.
Ein Fazit mit Holzstaub und Herz
Ich hätte nie gedacht, dass gerade dieser alte, dunkle Keller einmal mein Lieblingsort wird. Aber genau das ist er geworden. Nicht weil er perfekt ist. Sondern weil er mir gehört. Weil ich ihn mit meinen Händen geformt habe. Und weil ich dort zur Ruhe komme, wie sonst nirgends.
Wenn du also irgendwo in deinem Zuhause einen Ort hast, der nur auf seine Entdeckung wartet – trau dich. Es muss nicht groß sein. Nur echt. Und deiner. Und vielleicht wirst auch du erleben, wie aus einem stillen Keller ein Raum voller Leben, Wärme und Frieden wird.