Es war ein ganz normaler Dienstagmorgen. Der Kaffee dampfte in meiner Lieblingstasse, das Radio dudelte leise vor sich hin und der Einkaufszettel lag ordentlich gefaltet neben meinem Schlüsselbund. Und doch sollte dieser Tag anders verlaufen als alle Dienstage zuvor. Denn an diesem Dienstag begann mein Einkaufswagen zu tanzen. Und seitdem tanzt er jeden Dienstag. Warum das so ist? Lass mich Dir die Geschichte erzählen – sie beginnt, wie so viele gute Geschichten, mit einem kleinen Zufall und einem großen Lächeln.
Die Magie der Dienstage
Dienstage sind bei mir eigentlich für den Wocheneinkauf reserviert. Früher war das eher eine lästige Pflicht. Ich schlenderte durch die Gänge, schob meinen Wagen lustlos von Regal zu Regal und versuchte, möglichst effizient alles abzuarbeiten. Kein Schnack, kein Lächeln, Hauptsache schnell wieder raus. Aber irgendwie machte mich dieses „Pflichterfüllen“ nicht glücklich. Es war alles so ernst, so mechanisch.
Bis ich eines Tages beim Obststand stehen blieb, eine ältere Dame vor mir war – nennen wir sie Frau Schneider – und ihr Einkaufswagen einfach nicht stillhalten wollte. Sie wippte leicht mit den Hüften, summte ein Liedchen und schien sich einfach zu freuen, dass die Trauben im Angebot waren. Ihr Einkaufswagen bewegte sich im Takt ihrer Freude – ganz leicht, aber deutlich sichtbar. Ich musste grinsen.
Ein spontaner Versuch: Der erste Tanz
Als ich weiter durch den Supermarkt ging, dachte ich: Warum eigentlich nicht? Warum soll der Einkauf nicht auch Spaß machen dürfen? Also nahm ich mir vor, bei der Käsescheibe einen kleinen Schlenker mit dem Einkaufswagen zu machen. Und siehe da – es fühlte sich gut an. Albern vielleicht, aber gut. Ich spürte, wie die Laune stieg, wie aus Pflicht plötzlich eine Spielerei wurde. Ich ließ den Einkaufswagen sanft um die Ecke kreiseln, tanzte innerlich zu der Musik, die aus den Deckenlautsprechern dudelte.
Natürlich bekam ich ein paar schiefe Blicke. Aber ich bekam auch Lächeln geschenkt. Ein junger Vater zwinkerte mir zu, sein kleiner Sohn lachte laut. Eine Mitarbeiterin hinter der Frischetheke rief: „Na, heute gut drauf?“ – Und ich antwortete mit einem fröhlichen: „Na klar! Dienstag ist doch Tanztag!“
Routine mit Herz: Wie aus einem Versuch eine Tradition wurde
Seitdem tanzt mein Einkaufswagen jeden Dienstag. Mal mit einem kleinen Schwung in der Gemüseabteilung, mal mit einem eleganten Schlenker bei den Tiefkühlpizzen. Ich habe gelernt, dass die Umgebung dabei gar keine große Rolle spielt. Es geht um das innere Gefühl. Um die Haltung zum Leben. Um das bewusste Erlauben von Freude im Alltag.
Was anfangs nur eine kleine Spinnerei war, ist inzwischen eine kleine Tradition geworden. Ich freue mich auf diese halbe Stunde zwischen Regalen, auf die spontanen Gespräche mit anderen Kundinnen und Kunden, auf das Lächeln der Kassiererin, wenn ich wieder etwas zu ausgelassen meinen Wagen parke.
Was ich daraus gelernt habe
Vielleicht klingt das für manche verrückt. Vielleicht wirkt es auf den ersten Blick albern. Aber ich habe durch diesen kleinen Tanz mit dem Einkaufswagen etwas sehr Wichtiges verstanden:
- Freude ist ansteckend. Wenn ich mit guter Laune durch den Supermarkt tanze, wirkt das auf andere. Ich sehe es in den Augen, in den Gesichtern, in den Reaktionen.
- Der Alltag darf bunt sein. Auch im Alter. Gerade im Alter! Wenn wir uns nicht mehr ständig beeilen müssen, wenn wir Zeit haben – warum sollten wir dann nicht mit einem Augenzwinkern durch den Tag gehen?
- Ein Einkaufswagen kann mehr als nur rollen. Er kann auch Symbol sein. Für Lebensfreude. Für Leichtigkeit. Für die Entscheidung, das Leben mit einem Lächeln zu sehen.
Die Begegnungen, die alles verändern
Es gab inzwischen viele Dienstage, an denen ich Menschen begegnet bin, die auf meine Tanzeinlagen reagiert haben. Manche mit Skepsis, andere mit echtem Interesse. Eine ältere Dame kam mal auf mich zu und sagte: „Ich wünschte, ich hätte Ihren Mut!“ – Ich habe geantwortet: „Es braucht keinen Mut, nur ein bisschen Lust aufs Leben.“
Einmal tanzte ein kleines Mädchen neben mir mit, während ihre Mutter einkaufte. Wir drehten uns kurz im Kreis, lachten beide, dann rollten unsere Wagen weiter. Diese kurzen Momente machen mich glücklicher als manch großer Urlaub. Sie sind ehrlich, ungekünstelt, lebendig.
Kleine Rituale mit großer Wirkung
Ich habe festgestellt: Wer sich kleine Rituale in den Alltag holt, lebt bewusster. Der Dienstag mit meinem Einkaufswagen ist so ein Ritual. Andere gehen spazieren, backen Kuchen, telefonieren mit alten Freunden. Für mich ist es der tanzende Einkaufswagen. Er erinnert mich daran, dass jeder Tag besonders sein kann – wenn wir es zulassen.
Ich nehme mir jetzt auch mehr Zeit für Gespräche beim Einkauf. Ich beobachte mehr, entdecke neue Produkte, tausche Tipps aus. Und ja, ich bin inzwischen bekannt im Supermarkt. Manche nennen mich „den Tanzopa“, andere zwinkern mir einfach zu. Es ist ein schönes Gefühl, erkannt zu werden – nicht wegen der Menge im Einkaufswagen, sondern wegen der Freude im Gesicht.
Wenn der Alltag zur Bühne wird
Manche Tage laufen nicht rund. Auch meine Dienstage sind nicht immer Sonnenschein. Aber gerade dann hilft der kleine Tanz, das innere Grau zu vertreiben. Es ist wie ein Knopf, den ich drücke: „Leben an!“ Und plötzlich geht es leichter. Nicht alles ist gut, aber vieles ist besser.
Ich habe auch angefangen, mir passende Musik auf die Ohren zu setzen. Ein kleines Bluetooth-Radio im Wagen, leise natürlich – mit alten Swing-Klassikern, Walzer oder auch mal Elvis. Dann bewege ich mich im Takt, spüre, wie der Körper wieder Lust bekommt, sich zu bewegen. Und der Einkaufswagen? Der tanzt brav mit.
Jeder kann seinen Einkaufswagen tanzen lassen
Du brauchst keinen besonderen Anlass. Keine Genehmigung. Kein Publikum. Alles, was du brauchst, ist ein bisschen Mut zur Freude. Vielleicht fängst du mit einem Lächeln an. Vielleicht summst du dein Lieblingslied. Vielleicht ziehst du mit dem Wagen eine kleine Schleife, einfach so.
Und wenn jemand schräg schaut? Dann grinse zurück. Du wirst sehen: Viele Menschen warten nur darauf, dass jemand den Anfang macht.
Fazit: Ein Plädoyer für mehr Lebensfreude im Alltag
Der tanzende Einkaufswagen ist kein Gag, keine Show. Er ist mein Zeichen dafür, dass ich mein Leben aktiv gestalte. Dass ich mir erlaube, Spaß zu haben. Auch mit 70. Oder gerade dann.
Denn wer sagt denn, dass wir im Alter nur noch ernst sein müssen? Wer schreibt vor, wie sich ein Einkaufswagen bewegen darf? Niemand.
Also, wenn du mich das nächste Mal dienstags im Supermarkt siehst – zwinker mir zu. Vielleicht tanzt dein Wagen ja auch schon. Und wenn nicht: Probier’s doch mal aus.