Mittags schlafe ich. Nicht immer, aber oft. Und nein – ich schäme mich nicht dafür. Ganz im Gegenteil: Ich habe mir diesen kleinen Luxus hart erarbeitet. Früher hätte ich mich dabei ertappt, wie ich mich rechtfertige: „Ich war früh wach“, „Es war nur ganz kurz“, „Ich war gestern so spät im Bett…“. Heute weiß ich: Der Mittagsschlaf ist keine Schwäche, sondern eine Stärke. Und ich erzähle Dir gern, warum – weil es mein Leben bereichert hat, mehr als ich je gedacht hätte.
Schlafen am Tag – warum eigentlich nicht?
In unserer Kultur wird der Mittagsschlaf oft belächelt. Wer sich tagsüber hinlegt, gilt schnell als faul oder wenig belastbar. Dabei ist das völliger Quatsch. In vielen anderen Teilen der Welt gehört der Mittagsschlaf ganz selbstverständlich zum Alltag. Die Spanier haben ihre Siesta, in Japan ist das kurze Nickerchen am Arbeitsplatz sogar ein Zeichen von Fleiß. Auch im Mittelalter legten die Menschen zur Mittagszeit ihre Arbeit nieder, um zu rasten – ganz ohne Schuldgefühl. Die Natur selbst zeigt uns das Bedürfnis nach Ruhe: Tiere schlafen über den Tag verteilt, weil es gesund ist.
Warum also sollte ich mich schlecht fühlen, wenn ich meinem Körper eine Pause gönne? Gerade mit zunehmendem Alter merke ich, wie gut es mir tut, auf die Signale meines Körpers zu hören. Wenn die Augen schwer werden und der Kopf langsam ist, bringt es doch niemandem etwas, wenn ich mich durch den Nachmittag schleppe wie ein zäher Kaugummi. Ich merke dann, wie sich mein Denken verlangsamt, wie sich Fehler einschleichen, wie die Laune sinkt. Da ist es doch viel klüger, rechtzeitig auf die Bremse zu treten – für mich und mein Umfeld.
Was ein Mittagsschlaf mit Gesundheit zu tun hat
Viele Studien zeigen: Ein kurzer Mittagsschlaf wirkt wahre Wunder. Er kann das Herz schützen, den Blutdruck senken, Stress abbauen und sogar das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle verringern. Und auch das Gedächtnis freut sich über die kleine Auszeit. Informationen werden besser gespeichert, die Konzentration steigt – man fühlt sich wie neu geboren. Manche Wissenschaftler sagen sogar, dass ein regelmäßiger Mittagsschlaf lebensverlängernd sein kann.
Ich selbst habe das lange nicht geglaubt. Aber seit ich regelmäßig mittags für 20 bis 30 Minuten die Augen schließe, bin ich nachmittags spürbar fitter. Ich bin wacher, klarer, weniger reizbar. Und – ganz wichtig – mein Kreislauf dankt es mir. Früher plagten mich oft Kopfschmerzen oder dieses lähmende Nachmittagstief, das man mit Kaffee auch nicht wegbekommt. Heute ruhe ich lieber kurz – und bin danach wieder voll da.
Der innere Kritiker – und wie ich ihn zum Schweigen brachte
Lange Zeit war da diese innere Stimme, die mir ein schlechtes Gewissen machte. „Du hast doch noch so viel zu tun!“ oder „Das ist doch unproduktiv!“. Aber weißt du was? Diese Stimme war ein Echo alter Glaubenssätze. Der Glaube, dass man nur wertvoll ist, wenn man funktioniert. Dass man immer stark sein muss. Immer im Einsatz. Immer wach.
Irgendwann habe ich beschlossen, diese Stimme zu hinterfragen. Und siehe da: Sie hatte Unrecht. Denn indem ich mir die Erholung gönne, schaffe ich mehr. Ich bin kreativer, gelassener, belastbarer. Mein Tag ist runder. Und ich bin freundlicher zu mir selbst – und zu anderen. Manchmal merke ich sogar: Der Mittagsschlaf hilft mir dabei, emotional stabil zu bleiben. Wenn mich etwas ärgert oder stresst, sehe ich die Dinge nach dem kurzen Schlaf mit Abstand – und oft mit einem Lächeln.
Wie ein guter Mittagsschlaf aussieht
Ein Mittagsschlaf muss nicht lang sein – im Gegenteil. Die berühmten „Power Naps“ von 10 bis 30 Minuten sind ideal. Länger zu schlafen kann dazu führen, dass man sich danach eher gerädert fühlt. Ich habe für mich herausgefunden, dass 25 Minuten perfekt sind. Dazu stelle ich mir einen Wecker und schaffe mir eine ruhige Atmosphäre.
Hier ein paar Tipps, wie mein Mittagsschlaf richtig erholsam wird:
- Ich sorge für Ruhe: Handy lautlos, Fernseher aus, Klingel ignorieren. Auch das Radio bleibt aus.
- Ich lege mich nicht ins Bett, sondern aufs Sofa oder in den Sessel – damit der Körper weiß: Es ist nur eine kurze Pause. Der Ort macht einen großen Unterschied.
- Ein kleines Ritual hilft beim Abschalten: eine Decke, eine ruhige Atemübung, manchmal ein entspannter Kräutertee vorher. Manchmal höre ich leise Naturgeräusche – das hilft meinem Kopf, den Alltag loszulassen.
Zusätzlich vermeide ich schwere Mahlzeiten kurz vorher. Ich achte darauf, dass ich eine gute Stunde nach dem Mittagessen schlafe – dann ist mein Körper im richtigen Modus. Und ich akzeptiere auch, wenn es mal nicht klappt. Der Wille zum Mittagsschlaf ist schon ein Schritt in Richtung Achtsamkeit.
Vom schlechten Gewissen zum festen Ritual
Was als Notlösung begann – ein kleiner Mittagsschlaf, weil ich einfach nicht mehr konnte – ist heute ein fester Bestandteil meines Tages geworden. Und ich habe gelernt, ihn zu verteidigen. Wenn jemand meint, ich sei „nicht ausgelastet“ oder „hätte es ja gut“, dann nicke ich nur freundlich und denke mir: Ja, ich hab’s wirklich gut. Weil ich mir erlaube, auf mich zu achten.
Ich glaube, dass wir in unserer Gesellschaft dringend mehr echte Pausen brauchen. Nicht dieses dauerhafte Funktionieren, das nur in Erschöpfung endet. Der Mittagsschlaf ist mein kleiner Protest gegen den ständigen Druck, immer erreichbar, produktiv und energiegeladen sein zu müssen. Und jedes Mal, wenn ich mich hinlege, ist das auch ein kleines Zeichen der Selbstfürsorge. Ich sage mir: Du bist es wert, dich auszuruhen.
Was mein Umfeld sagt – und wie ich damit umgehe
Natürlich gibt es Menschen, die das nicht verstehen. Die mittags lieber Kaffee trinken, um wach zu bleiben, und sich wundern, warum sie abends wie ausgewrungen auf dem Sofa hängen. Manche lächeln, wenn ich vom Mittagsschlaf erzähle. Andere sind ehrlich interessiert – und einige haben es sogar selbst ausprobiert und mir später berichtet: „Du hattest recht! Ich fühlte mich wie neu geboren!“
Es sind genau diese Rückmeldungen, die mir zeigen: Wir sind auf dem richtigen Weg. Vielleicht ist es nur ein kleiner Impuls, aber wer einmal merkt, wie viel Kraft in einem Powernap steckt, der sieht den Mittagsschlaf mit neuen Augen. Ich wünsche mir, dass wir alle offener mit dem Thema umgehen. Denn niemand muss sich dafür rechtfertigen, gut zu sich selbst zu sein.
Mein Appell: Schlaf dich gesund, ohne Scham
Wenn du mittags müde bist – dann schlaf. Nicht stundenlang, sondern kurz und bewusst. Dein Körper wird es dir danken. Dein Geist auch. Und vielleicht entdeckst du dabei ein neues Stück Lebensqualität, das du dir viel zu lange verwehrt hast. Und du wirst merken: Du bist nicht allein. Immer mehr Menschen entdecken den Mittagsschlaf für sich – vom Manager bis zur Rentnerin.
Denn Schlaf ist kein Luxus. Schlaf ist ein Grundbedürfnis. Und gerade mit ein paar mehr Lebensjahren auf dem Tacho darfst du ruhig ein bisschen mehr auf dich hören. Ganz ohne schlechtes Gewissen. Erlaube dir, Pausen zu machen, ohne dich dabei erklären zu müssen. Du brauchst kein Alibi für Selbstfürsorge.
Fazit: Ich schlafe – und bin stolz darauf
Ich bin kein Faulpelz. Ich bin kein Drückeberger. Ich bin ein Mensch, der gelernt hat, sich ernst zu nehmen. Der gelernt hat, dass ein klarer Kopf, ein starkes Herz und ein gelassener Blick auf die Welt manchmal einfach eine kleine Pause brauchen.
Und diese Pause heißt für mich: Mittagsschlaf.
Nicht aus Bequemlichkeit. Sondern aus Überzeugung. Weil ich weiß, was mir guttut. Weil ich gespürt habe, wie aus einer kleinen Ruhepause ein großes Stück Lebensqualität wird.