Es gibt Tage, da sitze ich auf der Parkbank, beobachte die Leute und denke mir: „Ich habe Zeit, Erfahrung – und eigentlich auch noch genug Energie. Aber wofür genau?“ Diese Frage hat mich lange begleitet. Als Großvater von drei wunderbaren Enkeln, der das Berufsleben hinter sich gelassen hat, begann ich mich zu fragen, was ich dieser Welt noch geben kann. Die Antwort kam nicht über Nacht, aber sie kam: durch mein Ehrenamt.
Die Suche nach Sinn nach dem Beruf
Nach dem Ruhestand fällt man nicht in ein Loch – aber man steht plötzlich vor einem riesigen freien Feld. Keine Termine mehr, kein beruflicher Druck, aber eben auch: keine tägliche Aufgabe, kein Feedback, kein Team. Anfangs fühlte sich das wie Urlaub an. Doch irgendwann fragte ich mich: „War’s das jetzt?“
Ich spürte, dass ich gebraucht werden wollte. Nicht von meinen Kindern oder Enkelkindern – die sehen wir regelmäßig und das ist ein Geschenk. Nein, ich wollte darüber hinaus noch etwas bewirken. Etwas zurückgeben. Gesellschaftlich. Und mit dem, was ich im Laufe der Jahre gelernt habe: Zuhören, organisieren, anpacken.
Warum gerade Ehrenamt?
Ehrenamt bedeutet für mich nicht nur „helfen“. Es bedeutet, Teil einer Gemeinschaft zu sein. Es ist eine Brücke zwischen Generationen, eine Chance, Lebenserfahrung weiterzugeben und gleichzeitig Neues zu lernen. Im Ehrenamt wird keiner nach Alter gefragt, sondern nach Herz, Haltung und Bereitschaft.
Und genau das ist es, was mich so reizt: Ich kann Mensch sein. Mit allem, was ich mitbringe. Mit meiner Geduld, meiner Lebenserfahrung – aber auch mit meiner Lust, noch was zu bewegen. Es geht nicht um Leistung, sondern um Nähe. Um Verbundenheit. Um das Gefühl, dass da draußen jemand ist, der sich freut, wenn man vorbeikommt.
Mein Einstieg: Vom Zuhören zum Mitmachen
Der erste Schritt war, ehrlich gesagt, gar nicht so einfach. Ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte. Also habe ich einfach mal angefangen zu fragen. Beim Nachbarschaftstreff um die Ecke. Beim Seniorenbüro in der Stadt. Ich habe gegoogelt, telefoniert, mich durchgefragt.
Was mir half: Ich habe nicht gleich das „eine große Ding“ gesucht. Sondern kleine Möglichkeiten. Erst habe ich bei einem Vorleseprojekt mitgemacht – einmal pro Woche in der Grundschule um die Ecke. Kinderbücher lesen, ein bisschen erzählen, zuhören. Am Anfang war ich nervös – schließlich war ich kein Pädagoge. Aber die leuchtenden Augen der Kinder, wenn ich aus Pippi Langstrumpf vorgelesen habe, haben mich tief berührt.
Dann kamen Gespräche mit Nachbarn dazu, kleinere Botengänge. Einmal wurde ich gefragt, ob ich bei einer Veranstaltung mithelfen könnte – es war eine Senioren-Tanztee-Veranstaltung, und ich habe mit aufgebaut, Kaffee ausgeschenkt, Stühle getragen. Und danach getanzt. Ich kam heim mit Muskelkater – und einem Lächeln, das zwei Tage blieb.
Was hat das Ehrenamt mit mir gemacht?
Ich hätte nie gedacht, dass ich durch das Ehrenamt selbst so wach werde. Ich bin wieder aktiver, strukturierter, offener geworden. Es hat mir neue Kontakte geschenkt – auch zu anderen Engagierten in meinem Alter. Wir tauschen uns aus, lachen viel, motivieren uns gegenseitig.
Vor allem aber habe ich das Gefühl, dass ich gebraucht werde. Dass ich noch mitten im Leben stehe – und etwas beitragen kann. Dieses Gefühl ist unbezahlbar.
Früher war mein Alltag manchmal ein bisschen gleichförmig. Jetzt ist kein Tag wie der andere. Ich habe neue Geschichten gehört, neue Menschen kennengelernt, neue Sichtweisen gewonnen. Ich spüre, wie ich innerlich wach bleibe.
Was ich heute tue – und warum es mir so wichtig ist
Mittlerweile engagiere ich mich in drei Bereichen:
- Vorlese-Opa in der Grundschule – Jeden Dienstag sitze ich mit einer kleinen Gruppe Kinder im Leseraum. Wir lesen zusammen, sprechen über die Geschichten, manchmal zeichnen wir Szenen daraus. Es ist immer lebendig – und oft lerne ich genauso viel wie die Kinder.
- Begleiter im Seniorenheim – Einmal pro Woche besuche ich eine ältere Dame, die keine Angehörigen mehr hat. Wir trinken zusammen Kaffee, spielen Karten oder reden einfach. Diese Treffen haben mein Bild vom Altern verändert – und mir gezeigt, wie wichtig Zuhören ist.
- Nachbarschaftshilfe – Ob Einkauf für den Nachbarn, kleine Reparaturen oder einfach mal ein Gespräch: In unserer Straße haben wir eine kleine Ehrenamtsgruppe gegründet. Jeder hilft, wie er kann. Es stärkt unser Miteinander enorm.
Wie du selbst anfangen kannst – meine Tipps aus eigener Erfahrung
Wenn du, wie ich, mit dem Gedanken spielst, dich ehrenamtlich zu engagieren, aber nicht weißt, wo du anfangen sollst – hier meine erprobten Tipps:
- Einfach mal umhören: In der Stadtbibliothek, beim Bürgerbüro oder im Internet gibt es oft Übersichten über Engagement-Möglichkeiten.
- Klein anfangen: Du musst nicht gleich fünf Stunden pro Woche einplanen. Auch einmal im Monat ist ein Anfang.
- Eigene Interessen einbringen: Du liebst Handwerken? Vielleicht sucht ein Jugendclub Unterstützung. Du kochst gern? Viele Tafeln oder Suppenküchen freuen sich über helfende Hände.
- Geduldig sein: Es dauert manchmal, bis man das passende Engagement findet. Aber dranbleiben lohnt sich.
- Nicht entmutigen lassen: Nicht jede Organisation passt. Und nicht jeder Einsatz ist erfüllend. Aber das Ehrenamt ist wie ein Paar Schuhe – du merkst schnell, ob’s passt.
Was meine Familie dazu sagt
Anfangs waren meine Kinder skeptisch. „Papa, du sollst deinen Ruhestand genießen!“, hieß es. Aber als sie sahen, wie gut mir das Ehrenamt tut, wie ich aufblühe und davon erzähle, haben sie es schnell verstanden. Heute bekomme ich sogar Unterstützung – meine Enkel helfen manchmal mit oder malen Bilder für meine Vorlesestunden.
Und manchmal erzählen sie in der Schule von ihrem „Opa, der was für andere tut“. Da geht mir das Herz auf. Denn das, was ich tue, ist vielleicht klein – aber es zeigt Wirkung. Und es inspiriert.
Ehrenamt als Teil meines Lebens
Ich hätte früher nie gedacht, dass das Ehrenamt so ein großer Teil meines Alltags wird. Aber heute gehört es einfach dazu. Es ist mein „neuer Job“ – einer, bei dem es nicht um Geld geht, sondern um Begegnungen, Sinn und Freude.
Ich wünschte, mehr Opas würden diesen Weg gehen. Nicht, weil sie müssen – sondern weil sie können. Weil sie gebraucht werden. Und weil sie so viel zu geben haben.
Mein Fazit: Ehrenamt ist keine Pflicht – sondern ein Geschenk
Wenn du wie ich das Gefühl hast, noch etwas bewirken zu wollen, dann geh los. Ehrenamtlich. Es muss nicht groß sein. Aber es verändert viel – bei den anderen. Und bei dir selbst.
Ich jedenfalls bin heute ein erfüllter, stolzer Ehrenamts-Opa. Und ich kann sagen: Es war eine der besten Entscheidungen meines Lebens.